Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 18. Januar 2024 zum Aktenzeichen III R 5/23 entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld primär der Person zusteht, die zu Beginn des Monats alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn eine andere Person das Kind im Laufe des Monats die Voraussetzungen erfüllt, indem es das Kind in seinen Haushalt aufnimmt.
Was war der Hintergrund des Falls?
Ein am 26. November 2020 geborenes Kind hatte eine obdachlose Mutter, mit der es nach der Geburt nicht zusammenlebte. Der Kläger beantragte, dass er das Kind als Pflegekind aufnehmen darf, was am 07. Dezember 2020 durch die zuständige Behörde genehmigt wurde. Der Pflegevater beantragte sodann Kindergeld ab dem Monat Dezember 2020. Die Familienkasse lehnte den Antrag teilweise für den Monat Dezember 2020 ab, da das Kind nicht zu Beginn des Monats im Haushalt des Klägers lebte und gewährte das Kindergeld erst ab Januar 2021.
Wie entschied der Bundesfinanzhof?
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt, das zugunsten des Klägers entschieden hatte, auf. Nach § 66 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld für den gesamten Monat an die Person gezahlt, die zu Monatsbeginn kindergeldberechtigt war. Dies dient der Vermeidung von Doppelzahlungen.
Obwohl der Kläger das Kind ab dem 7. Dezember 2020 im Haushalt hatte, war der Kindergeldanspruch für Dezember 2020 nicht gegeben. Der Anspruchsvorrang der leiblichen Eltern, die zu Monatsbeginn die Voraussetzungen erfüllten, auch wenn das Kind nicht bei Ihnen im gemeinsamen Haushalt lebte, blieb bestehen. Somit kann eine Änderung der Kindergeldberechtigung erst ab dem Folgemonat berücksichtigt werden, unabhängig davon, wann die Haushaltsaufnahme im laufenden Monat stattfand.
Welche Auswirkungen hat das Urteil?
Das Urteil verdeutlicht einerseits die strikte Anwendung des Monatsprinzips im Kindergeldrecht. Demnach ist entscheidend, wer am ersten Tag des Monats die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, um den Anspruch für den gesamten Monat zu sichern. Diese Regelung gilt auch in Fällen, wo das Kind später im Monat in den Haushalt einer anderen Person aufgenommen wird. Nicht verwechselt werden darf es mit der Konstellation, dass am ersten Tag des Monats niemand die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und erst im Laufe des Monats ein Anspruch auf Kindergeld entsteht. Für diese Fälle gilt weiterhin, dass die Voraussetzungen für den ganzen Monat erfüllt sind, wenn lediglich an irgendeinem Tag im Monat ein Anspruch besteht.
Dieses Urteil hat in der Praxis nur begrenzte Auswirkungen, da es nur den Wechselmonat betrifft und nicht auch die folgenden. Es stellt für solche Konstellationen klar, dass Änderungen in der Haushaltsaufnahme erst im Folgemonat kindergeldrechtlich relevant sind. Dennoch war die Klarstellung aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung nötig.
Fazit: Was sollten Pflegeeltern wissen?
Das BFH-Urteil zum Aktenzeichen III R 5/23 unterstreicht die Bedeutung des Zeitpunktes der Haushaltsaufnahme für den Kindergeldanspruch. Pflegeeltern sollten daher bei der Aufnahme eines Kindes in ihren Haushalt berücksichtigen, dass der Kindergeldanspruch im Regelfall erst ab dem Folgemonat nach der Haushaltsaufnahme entsteht, wenn das Kind nicht schon am Monatsanfang aufgenommen war. Die Rechtsfrage hinsichtlich der Kindergeldberechtigung bei späterer Haushaltsaufnahme im Monat ist damit geklärt und bringt mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen.
Rechtsanwalt Schem ist Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Sozialrecht und Experte auf dem Gebiet des Kindergeldrechts. Er berät und vertritt weltweit Mandanten zu deutschem Kindergeld gegen alle Familienkassen.