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Wenn die Eltern getrennt leben, ein Elternteil in Deutschland lebt, der andere aber im EU-Ausland, stellt sich die Frage, ob und wer das deutsche Kindergeld beziehen kann.

Grundsatz: Anspruch auf Kindergeld nur mit Wohnsitz in Deutschland

Grundsätzlich kann Kindergeld nach dem EStG nach nur beantragen, wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat bzw. dort steuerpflichtig ist. Bei getrennt Lebenden ist es nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an denjenigen auszuzahlen, in dessen Haushalt das Kind lebt.

Für ein geschiedenes Elternpaar – der Vater in Deutschland lebend, die Mutter mit dem gemeinsamen Sohn in Polen ­- hatte der Bundesfinanzhof über den Antrag des Vaters auf Kindergeld zu entscheiden (BFH, Urteil vom 04.02.2016, Az. III R 17/13).

Ausnahme: fiktiver Wohnsitz in Deutschland?

Um die soziale Sicherheit durch Familienleistungen zu gewährleisten, existiert im EU-Recht die Wohnsitzfiktion. D.h. einem EU-Bürger, der selbst nicht in Deutschland lebt, können dennoch dieselben Ansprüche zustehen, als wäre sein Wohnsitz tatsächlich dort. Hierfür ist die gesamte Familiensituation zu betrachten.

Die europarechtliche Wohnsitzfiktion gilt dann für alle „beteiligten Personen“, als Familienangehörige also insbesondere die Eltern und all jene, die in dem Mitgliedsstaat die jeweiligen Familienleistungen beantragen könnten.

In dem Fall des Bundesfinanzhofs war zu entscheiden, ob der Mann, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, das Kindergeld beantragen könne, obwohl sein Sohn im Haushalt der von ihm geschiedenen Mutter in Polen lebt.

Aufgrund der bis dahin unterschiedlichen Ansichten der Finanzhöfe zu der Thematik legte der BFH in einem Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH die Frage vor, ob die Wohnsitzfiktion derart weit zu begreifen sein könne.

EuGH zur Wohnsitzfiktion beim Kindergeld

Der EuGH stellte dazu fest, dass die Wohnsitzfiktion tatsächlich einen nach nationalem Recht gegebenen Kindergeldanspruch bei einer in einem anderen EU-Staat lebenden Person begründen kann. Im vorliegenden Fall war die Mutter auch nicht kindergeldberechtigt in Polen, so dass kein konkurrierender oder vorranginger Anspruch diesen verdrängen konnte.

In seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass die Wohnsitzfiktion nicht deshalb entfallen könne, weil die Eltern geschieden seien und getrennt in verschiedenen EU-Staaten leben.

Vielmehr sei die getrennt lebende Frau, in deren Haushalt das Kind lebte, immer noch als Familienangehörige anzusehen. Sie sei also als in Deutschland lebend zu betrachten. Damit sei nur sie die Anspruchsberechtigte, weil die Mutter eben mit dem Kind zusammenlebe und nicht der Vater. Auch die Tatsache, dass die Frau gar kein Kindergeld beansprucht hatte, ändere an dieser Bewertung nichts.

Die Klage des Vaters wurde daher abgewiesen.

Praxisrelevanz der Wohnsitzfiktion

Das Urteil hat für die Praxis auch heute noch große Bedeutung. Zwar verhalten sich nicht alle Fälle von geschiedenen Eltern so, dass der im Ausland lebende Elternteil Kindergeld in Deutschland beantragen kann, allerdings ist es kein Einzelfall. Auch kommen oft zusätzliche Kindergeldansprüche im Ausland in Betracht, die anzurechnen sind. Wichtig ist, dass von Anfang an der richtige Elternteil das Kindergeld beantragt, damit sich die Auszahlung nicht verzögert oder im schlimmsten Fall Ansprüche verloren gehen.

Haben Sie noch andere Fragen zum Thema Kindergeld?

Rechtsanwalt Thomas G. Schem von der Kanzlei PSS Rechtsanwälte berät Sie gerne rund um das Thema Kindergeld und in anderen steuerrechtlichen Angelegenheiten!

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass einem volljährigen Kind im Kindergeldprozess kein Zeugnisverweigerungsrecht zugutekommt. Das Kind muss daher eine Aussage machen, um der besonderen Mitwirkungspflicht in Kindergeldsachen nachzukommen (Urteil vom 18.09.2019 – Az. III R 59/18).

In dem zunächst vor dem Finanzgericht verhandelten Fall ging es um die Frage, ob dem Vater Kindergeld auszuzahlen sei. Der Vater berief sich dabei auf seinen höheren Unterhaltsbeitrag, da das Kind auch nicht mehr im Haushalt der Mutter lebe. Das Finanzgericht wies dessen Klage ab und stützte dies allein auf ein Schreiben des volljährigen Kindes an die Kindergeldkasse. Das Kind teilte darin mit, jedes zweite Wochenende und die Sommerferien bei der Mutter zu verbringen, also noch Teil des mütterlichen Haushalts zu sein. Im Prozess berief sich das Kind allerdings auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Angehöriger nach § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 101 AO.

Mit seinem Urteil hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass dieses Zeugnisverweigerungsrecht dem volljährigen Kind im Kindergeldprozess nicht zusteht. Das Recht der Angehörigen zu schweigen gründet darauf, innerfamiliäre Zwiste zu vermeiden.

Im Verwaltungsverfahren gilt in Kindergeldsachen aber bereits eine besondere Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 EStG, sodass ein möglicher Konflikt bereits dort entstünde. Zudem würde eine Andersbehandlung der Einheitlichkeit des Zeugnisverweigerungsrechts im Steuerverwaltungs- und im Gerichtsverfahren zuwiderlaufen. Sonst könnte ein allein für den Prozess geltendes Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund unterschiedlicher Beweismittel zu unterschiedlichen Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens und des finanzgerichtlichen Verfahrens führen.

Ein Auslandsstudium wird unter den Studenten immer beliebter. Auch Länder, die nicht in der Europäischen Union liegen, werden immer mehr als Studienaufenthalte genutzt. Eine wichtige Komponente bei der Planung ist das Kindergeld. Dabei stellt sich oft die Frage: Wird das Kindergeld trotz des Auslandsstudiums des Kindes gezahlt ?  

Um Kindergeld im Ausland zu beziehen, müssen die allgemeinen Voraussetzungen für den Bezug vorliegen. Das Kind darf das 25. Lebensjahr nicht vollendet haben und die deutsche Staatsbürgerschaft muss gegeben sein. 

Kindergeld bei Studium im EU-Ausland?

Unabhängig in welchem Land das Kind studiert, ist man Kindergeldberechtigt, wenn der Wohnsitz noch in Deutschland oder der EU ist.

Das heißt ein Studium in einem Staat der EU, wenn sich auch der Wohnsitz des Kindes im Ausland befindet lässt einen Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich unberührt. Hier sind dann allerdings möglicherweise weitere Voraussetzungen zu prüfen, wenn das Kind auch seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und nicht mehr bei den Eltern wohnt. Hier kann es im bestimmten Fällen z.B. dazu kommen, dass nicht mehr der bisher berechtigte Elternteil Kindergeld beziehen kann, sondern nur noch der andere.

Kindergeld bei Studium außerhalb der EU, z.B. Schweiz, China, USA?

Außerhalb der EU ist es anders. Hier entfällt der Kindergeldanspruch im Normalfall, wenn das Kind seinen Wohnsitz nicht mehr in der EU hat. Der steuerrechtliche Wohnsitz entscheidet darüber, ob weiter Kindegeld gezahlt wird oder nicht.

Zunächst nicht ausschlaggebend ist, wo der melderechtliche Wohnsitz liegt. Dieser ist nur ein Indiz. In vielen Fällen maßgebend ist, wo man sich tatsächlich zu Wohnzwecken aufhält. Bei einem Studium also im Ausland. Für den steuerrechtlichen Wohnsitz ist gerade im Falle eines Auslandsstudiums allerdings noch auf etwas anderes abzustellen. Der Wohnsitz des Kindes könnte weiterhin in Deutschland sein, obwohl das Kind die meiste Zeit des Jahres im Ausland ist.

Wichtig ist, dass das Kind mindestens die Hälfte der ausbildungsfreien Zeit, also bei einem Stzudium die Semesterferien, in Deutschland am bisherigen Wohnsitz verbringt und die Wohnverhältnisse, sowie die persönlichen Bindungen in Deutschland stärker vorhanden sind als im Ausland. Um den Wohnsitz beizubehalten muss das Kind die vor dem Auslandsaufenthalt bewohnte Wohnung (z.B. Wohnung der Eltern) auch während seines Auslandsaufenthalts nutzen können und tatsächlich nutzen. Lediglich ein Gästebett wie für einen Besucher ist hier nicht ausreichend. Wenn von Anfang an klar ist, dass das Kind in Ausland zieht und die Wohnung bei den Eltern nicht mehr zur Verfügung steht, entfällt dort auch der Wohnsitz.

Dauer des Auslandsaufenthalts entscheidend – Jahresgrenze

Bei einem Auslandsaufenthalt von bis zu einem Jahr sind unter den soeben genannten Kriterien keine Probleme zu erwarten. Die Rechtsprechung geht dann im Normalfall davon aus, dass der Lebensmittelpunkt weiter am früheren Ort ist, wenn dort die Wohnung weiter existiert. Wenn der Aufenthalt zum Zweck der Schul- oder Berufsausbildung genutzt wird, wird das Kindergeld daher grundsätzlich weiter ausgezahlt, aber möglicherweise etwas genauer und in kürzeren Intervallen geprüft und entsprechende Nachweise verlangt. Bei längerfristigen Aufenthalten ist eine Einzelfallbetrachtung anzustellen. Bei mehr als einjährigem Studium dürfte eine entsprechende Begründung allerdings mit fortschreitendem Studium zunehmend schwierig sein, da letztlich die Umstände vom Kindergeldberechtigten nachzuweisen sind und auf den Einzelfall ankommen.

Mitteilung an die Familienkasse

In jedem Fall ist zu raten, entsprechende Änderungen in den tatsächlichen Umständen, dazu zählt der Wohnsitz des Kindes, der Familienkasse mitzuteilen. Sollte die rechtliche Bewertung nämlich später – ohne dass dies der Familienkasse mitgeteilt wurde – dazu kommen, dass kein Kindergeldanspruch für die Zeit des Auslandsaufenthaltes besteht, ist mit der Einleitung eines Streuerstrafermittlungsverfahrens zu rechnen.

In der täglichen Beratung bekommen wir häufig Fragen zum Thema Kindergeld und Kindergeldrecht gestellt. Rechtsanwalt Schem bearbeitet(e) zahlreiche Verfahren im Bereich Kindergeld und bekommt regelmäßig typische Fragen, die manchmal leicht zu beantworten sind, aber oftmals auch eine komplexe Antwort erfordern. Wir haben ein paar der einfacheren Fragen hier aufbereitet. Weitere Fragen und Details finden Sie auf unserer Themenseite zum Thema Kindergeld.

Erhalte ich sozialrechtliches oder steuerrechtliches Kindergeld?

Sehr wahrscheinlich handelt es sich um steuerrechtliches Kindergeld. Sie können dies auf Ihrem Kindergeldbescheid nachsehen, ob dort als Anspruchsgrundlage das Einkommensteuergesetz (EStG) oder das Bundeskindergeldgesetz (BKGG) genannt ist und eventuell auch an der Rechtsbehelfsbelehrung. Ein Einspruch ist bei steuerrechtlichem Kindergeld das richtige Rechtsmittel und wird dort genannt. Ein Widerspruch bei sozialrechtlichem Kindergeld. In beiden Fällen ist die Familienkasse die zusändige Behörde.

Wie lange muss ich nach Antragstellung auf den Kindergeldbescheid warten?

Im Normalfall kann sich die Familienkasse bis zu 6 Monate Zeit lassen. Erst frühestens nach Verstreichen dieser Frist wäre ein Untätigkeitseinspruch möglich. Ein Eilverfahren, weil es besonders dringend ist, ist im Kindergeldrecht eine Ausnahme. Sollten Sie hilfsbedürftig sein und Leistungen vom Jobcenter oder anderen Ämtern bekommen und auf Kindergeld angewiesen sein, sollte im Normalfall zunächst das Jobcenter oder andere Amt die Leistungen anpassen. Eventuell wäre dann gegen des Jobcenter ein Eilverfahren einzuleiten. Auch hier können wir Ihnen behilflich sein.

Wie lange ist die Einspruchsfrist?

Ein Einspruch gegen den Kindergeldbescheid ist notwendige Voraussetzung einer Klage. Der Einspruch ist innerhalb von 1 Monat schriftlich bei der zuständigen Familienkasse einzulegen. Hierbei kommt es auf den Eingang bei der Familienkasse an.
Im Falle eines sozialrechtlichen Kindergeldbescheides ist der Widerspruch das richtige Rechtsmittel. Auch hier gilt die Frist von 1 Monat, wobei das Verpassen der sozialrechtlichen Frist im Gegegnsatz zur steuerrechtlichen Frist gegebenenfalls durch einen entsprechenden Antrag geheilt werden kann.

Was passiert nach meinem Einspruch?

Nach dem Einspruch hat die Familienkasse die Möglichkeit, den Kindergeldbescheid zu überprüfen. Wenn Sie Familienkasse dem Einspruch nicht abhelfen will, wird Sie einen Einspruchsbescheid erlassen, gegen den Sie dann die Möglichkeit haben, zu klagen. Eine Entscheidung auf den Einspruch muss innerhalb 6 Monaten ergehen. Wenn es länger dauert, kann eine Untätigkeitsklage zum Finanzgericht zulässig sein. Dies wäre im Einzelfall zu prüfen.

Übernimmt meine Rechtsschutzversicherung die Kosten des Verfahrens?

Hierzu müssen Sie prüfen, ob Sie Steuerrecht bzw. Sozialrecht im Vertrag versichert haben. Welches Rechtsgebiet für Sie relevant ist, siehe weitere Frage.
Als nächstes ist dann noch herauszufinden, in welchem Verfahrensschritt Sie sich befinden. Ein Antragsverfahren, also bevor Sie einen Kindergeldbescheid bekommen haben, wird üblicherweise nicht vor der Rechtschutzversicherung gedeckt. Ausnahmen sind möglich, wenn es z.B. lange dauert, dann kommen auch ein Untätigkeitseinspruch oder eine Untätigkeitsklage in Betracht. Ein Einspruchsverfahren oder Widerspruchsverfahren ist oft Bestandteil von Rechtschutzversicherungsverträgen. Das Klageverfahren vor dem Finanzgericht oder Sozialgericht ist dann, wenn das jeweilige Rechtsgebiet eingeschlossen ist, enthalten.

Welche Familienkasse ist für mich zuständig?

Wenn es um Kindergeld ohne Auslandsbezug geht, ist es die regionale Familienkasse vor Ort, z.B. für Wiesbaden ist es die Familienkasse Hessen, die eine Zweigstelle in Wiesbaden besitzt.
Wenn es um Kindergeld mit Auslandsbezug geht, gibt es Sonderzuständigkeiten. Die Familienkasse Bayern-Nord hat eine Sonderzuständigkeit für zahlreiche Länder, es gibt aber noch zahlreiche weitere Familienkassen bei Auslandsbezug.

Was bedeutet Differenzkindergeld?

Differenzkindergeld bedeutet, dass Ihnen außerhalb Deutschlands, z.B. in Österreich, Polen, der Schweiz oder anderen Ländern, gewährte Familienbeihilfe auf das deutsche Kindergeld angerechnet wird. Dies kann auch sein, wenn Sie nur einen Anspruch auf solche Leistungen im Ausland haben, diese aber gar nicht tatsächlich erhalten. Die Familienkassen gehen aber auch manchmal von falschen Voraussetzungen aus und rechnen ausländische Familienbeihilfe an, obwohl Sie darauf gar keinen Anspruch haben. Gegen einen solchen Bescheid sollten Sie Einspruch bzw. Widerspruch einlegen.

Bekomme ich für mein volljähriges Kind Kindergeld?

Ist ihr Kind zwischen 18 und unter 21 Jahren alt und arbeitslos gemeldet, besteht sehr wahrscheinlich ein Anspruch auf Kindergeld.
Ist Ihr Kind zwischen 18 und unter 25 Jahren alt und befindet sich in einer Ausbildung, in einem Studium, einem Freiwilligem Sozialen Jahr, ist ausbildungssuchend gemeldet oder ist behindert, haben Sie wahrscheinlich auch einen Anspruch auf Kindergeld.
Die Liste ist nicht abschließend. Gerne besprechen wir Ihren Einzelfall.

Ich wohne in Deutschland. Mein Kind wohnt im Ausland. Bekomme ich Kindergeld?

Diese Konstellation ist häufig Gegenstand der bei uns vorliegenden Fälle. Eine pauschale Beantwortung dieser Frage ist nicht möglich. Es ist sehr stark einzelfallabhängig und kommt insbesondere darauf an, ob es sich um EU-Ausland oder Nicht-EU-Ausland handelt, ob ein Kindergeldberechtigter erwerbstätig ist oder nicht, wo der andere Elternteil oder die Großeltern leben, mit wem ein gemeinsamer Haushalt besteht uvm. Auch gibt es außerhalb der EU mit bestimmten Ländern, z.B. Marroko, Kindergeldabkommen, die zu berücksichtigen sind.


Bei Fragen zum Kindergeld, Kindergeldrecht und der Familienkasse steht Ihnen die Kanzlei PSS Rechtsanwälte mit Rechtsanwalt Schem gerne zur Seite.